Direkt zum Seiteninhalt

Rezension zu "Es ist mehr als nur nicht Laufen, Teil 2"

VERLAG RENATE BRANDES IN ALTENRIET
Veröffentlicht von Renate Brandes in Rezension · Mittwoch 29 Jan 2025 ·  4:30
Tags: RezensionQuerschnittslähmungRollstuhlHandicap
Es ist mehr als nur nicht laufen, Teil 2

Gelesen: Es ist mehr als nur nicht laufen, Teil 2

„Die emotionale Achterbahnfahrt geht weiter“ – mit diesem Untertitel hat Johannes Maier den zweiten Teil seiner Autobiografie versehen. „Es ist mehr als nur nicht laufen, Teil 2“ lässt den Leser wieder sehr ehrlich teilhaben an den Höhen und Tiefen eines Lebens mit Querschnittlähmung.

Maier ist seit seinem 19. Lebensjahr ab dem fünften Halswirbel querschnittgelähmt. Wie er seither lebt, welche Rituale, Notwendigkeiten aber auch Highlights sein Leben bestimmen, schildert er detailliert. Erzählt er aus seinem Alltag, liest vieles sich völlig durchschnittlich und „normal“ – weshalb auch nicht? Maiers Autobiografie ist in dieser Hinsicht auch ein – vielleicht sogar heilsamer – Spiegel. Das Leben geht auch nach dem Unfall weiter. Auch mit Querschnittlähmung gibt es eine Normalität mit Routinen und Pflichten.

Leben mit Querschnittlähmung: „Bitte warten!“
Natürlich hat der Alltag auch eine andere, querschnittbedingte Seite, und auch der widmet sich der Autor. Als Beispiel sei der Bau seines Hauses genannt. Auch wenn das Gebäude im Grunde fertig ist, muss Bauherr Maier lange darauf warten, bis er zum ersten Mal den ersten Stock in Realität sehen kann. Das geht erst, nachdem der Lift eingebaut ist: „Mama ging mit Ihrem Handy durchs Haus und filmte alles, damit ich schon mal die oberen Räume sehen konnte. Es war alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte und wir geplant hatten.“
Bitte warten Sie! Ein Thema, das Maier immer wieder aufgreift. Bitte warten Sie, bis der Internetanschluss gelegt ist und Sie die smarten Funktionen ihres Hauses nutzen können. Bitte warten Sie, bis Sie gesund genug sind, um zum jährlichen „Kundendienst“ ins Querschnitt-Zentrum fahren zu können. Bitte warten Sie, bis jemand Sie nach der Kirchweih im Dorf nach Hause bringt. Bitte warten Sie, bis jemand den Knopf im Aufzug drückt, weil Sie selbst ihn nicht erreichen können.

Blasen-Management als Taktgeber
Maier hat das Privileg eines intakten Freundeskreises und eines stabilen familiären Umfelds. Seine Mutter und sein Vater übernehmen einen großen Teil seiner Pflege – so auch das Stimulieren der Blase. Ein Thema, über das er sehr offen schreibt. Die Notwendigkeit, auch von der schönsten Party kurz heimzufahren, um die Blase zu entleeren, die Notwendigkeit beim Besuch eines Fußballspiels oder der DTM in Nürnberg (was für ein Highlight!) einen Kumpel dabei zu haben, der ihm beim Entleeren der Blase assistiert – er muss all das akzeptieren, denn es gehört zu seinem Leben mit Querschnittlähmung.  
Genauso wie ein anderes Thema, in dem sich viele Menschen mit Querschnittlähmung vermutlich wiederfinden: Die leidige Frage, wie das Wetter heute wohl wird. „Das ist auch etwas, was mich nervt, dass ich ein anderes Temperaturempfinden habe. Vor dem Unfall war alles viel einfacher: T-Shirt, kurze Hose und Schuhe – fertig. Jetzt muss ich immer bedenken, was ich anziehe, denn es gibt für mich nichts Schlimmeres, als zu frieren.“ Jeder Ausflug, jede Tour mit den Freunden muss also genauestens geplant sein.

„Mir fehlt das Eigenständige …“
Aber bei einem Leben mit Querschnittlähmung ist nicht alles planbar, auch das zeigt Maiers Autobiografie. Da gibt es die obligatorischen Treppen oder Bahnsteige, die ihm im Weg liegen, oder auch die Fotobox auf einer Hochzeit, die auf stehende Menschen ausgerichtet ist (Spoiler: Maier hat starke Freunde, die ihn samt Rollstuhl zum Gruppenfoto hochheben können).
Da gibt es auch die Angst vor Dekubitus. Es gibt Krankheiten und Phasen voller Niedergeschlagenheit. Einen Tagesablauf, der häufig von Therapien und medizinischen Anwendungen geprägt ist. Und die körperlichen Einschränkungen, die sich nicht weg-reden lassen: „Mir fehlt dieses Eigenständige, einfach mal machen, was ich will! Ohne vorher überlegen zu müssen, ob es barrierefrei ist, wie das mit der Toilette funktioniert und so weiter…“ Es gibt aber auch Touren mit seinem geliebten Handbike, interessante Begegnungen mit Menschen und Geselligkeit und Gemeinschaft.

Autobiografie ohne falsche Emotionalität
Maier beschreibt beide Pole seines Lebens, klar und sachlich, ohne falsche Emotionalität. „Auch wenn es schön gewesen ist und ich mit allem zurechtgekommen bin, wird mir bewusst, dass mir mein ´altes Leben´ doch fehlt. Wie cool es wäre, mit meinen Cousins am Samstag zusammen Fußball zu spielen oder einfach auf niemanden angewiesen zu sein. Das wird sich aber vermutlich nicht mehr ändern …“, resümiert er gegen Ende von Band 2
(Zur Besprechung von Band 1 geht es hier: Gelesen: Es ist mehr als nur nicht laufen – Der-Querschnitt.de).
Maier muss sich mit seinem Leben arrangieren, es zu dessen Bedingungen annehmen. Mit seinem Buch nimmt er die Leser mit auf diese emotionale Berg- und Talfahrt.  Das Buch, so der Verlag, „soll Betroffenen und Angehörigen Mut machen, niemals aufzugeben und immer die Zuversicht zu bewahren, ungeachtet der Herausforderungen, mit denen man konfrontiert wird“.

Herzlichen Dank an Frau Willimsky und  für diese ausführliche Rezension!  Dieser Artikel ist am 29.01.2025 im Netz auf www.Der-Querschnitt.de erschienen.

Herzlichen Dank für Support: LECTURA GmbH , Lifeward GmbH und Mayer Motorsport





Zurück zum Seiteninhalt